Jahresbericht 2013

Die revolutionäre Bewegung Ägyptens droht zweieinhalb Jahre nach dem Beginn des Arabischen Frühlings zu scheitern. Politisches Chaos und Gewalt sind auch im zweiten Anlauf zu Demokratie und Freiheit das vorläufige Ergebnis. Die Anfang 2011 geeint Nation, die gegen Langzeitherrscher Hosni Mubarak protestierte, ist tief gespalten. Die Demonstranten am Tahrir-Platz, die nun den Sturz des Muslimbruders Mohammed Mursi erzwangen, können noch nicht abschätzen, was sie damit tatsächlich erreicht haben.

In den vergangenen zwei Jahren wurde das soziale Gefüge Ägyptens zerstört. Heute gibt es zwei Lager, die gegeneinander kämpfen. Die Nicht-Islamisten wissen genau, was ihnen drohte, bliebe Präsident Mursi an der Macht. Die Muslimbrüder auf der anderen Seite werden der Armee nie verzeihen, dass sie ihnen den Wahlsieg gestohlen hat. Natürlich lehnen sie jetzt jede weitere Beteiligung am „demokratischen“ Prozess ab.

Was aber bedeutet dies nun für die Bevölkerung und die Arbeit unserer Schwestern? Nachfolgend einige Beobachtungen:

  • Das Brot kostet das Doppelte oder Dreifache des Preises vor der Revolution.
  • Diesel / Benzin ist so knapp geworden, dass sich lange Schlangen an den Tankstelle bilden. Oft schiebt man sein Auto nach Hause.
  • Elektrizität ist nur zeitweise am Tag verfügbar.
  • Sauberes Trinkwasser ist von 4:00 bis 5:30 Uhr erhältlich.
  • Der Preis für Gas hat sich verzehnfacht, wobei man wissen muss, dass jeder Haushalt, jedes Geschäft mit Gas kocht.
  • Gewalt gegen Frauen in der Öffentlichkeit wird als Erziehungsmaßnahme praktiziert.
  • Auch gezielte Gewalt gegen Christen im täglichen Alltag ist zu beobachten. Nicht generell und überall, aber in bestimmten Fällen ist mit gewalttätigen Übergriffen zu rechnen! Rempeleien im Gedränge der Metro; kleine Karambolagen im Straßenverkehr.

Am Nationalfeiertag, den 6. Oktober, sind 2013 viele Menschen getötet worden. Allein in Beni Suef kamen sechs Menschen zu Tode, wie Sr. Amalia berichtete.

Tawadros II ist der neue Papst der Kopten

Das neue Oberhaupt der koptischen Christen in Ägypten, Papst Tawadros II., ist im November letzten Jahres in einer feierlichen Messe in Kairo in sein Amt eingeführt worden. Der 60-Jährige ist Nachfolger des im März verstorbenen Papst Shenouda III., er wurde Anfang November 2012 per Losentscheid zum neuen Kirchenoberhaupt bestimmt. Tawadros II. war bislang Bischof von Baheira, einer Provinz im Nordwesten des Landes. Er studierte Pharmazie in Ägypten und Großbritannien und leitete eine Medikamentenfabrik, bevor er 1988 ins Klosterleben eintrat. Er ist besonders bei der Jugend beliebt.

Situation unsere Schwestern

Während der Sonntagsmesse am 21. Juli 2013 beglückwünschte Bischof Ghabrial von Beni Suef die Schwestern der „Daughters of Saint Mary“. Papst Tawadros hatte den aktiven Nonnenorden nun offiziell anerkannt. Was das nun bedeutet blieb erst noch einmal für alle im Unklaren. Mittlerweile hat es aber zwei offizielle Treffen zwischen Papst Tawadros, Sr. Maria und anderen Offiziellen gegeben. Geplant ist nun neben dem Konvent in Beni Suef, auch Ezbet El Nakhl, El Mokkatam und El Mattaria als Konvent mit aktiven Nonnen anzuerkennen. Jedem Konvent soll ein Bischof zur Seite gestellt werden.

Die Programme zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung (FGM) bei Mädchen sind seit dem Jahr 2000 ein zentrales Anliegen. Durch Implementierung der Programme in die Dorfentwicklung hat sich ein anderes Bewusstsein entwickelt. Öffentlich wurde gegen FGM demonstriert und Dörfer erklärten sich als beschneidungsfrei. Nach dem arabischen Frühling sind nun staatliche Fördermittel gestrichen worden. Fanatische Muslime erklären, dass FGM zum islamischen Glauben dazugehöre und praktiziert werden muss. Dies gefährdet nicht nur die Arbeit der Gesundheitsberaterinnen in der Dorfentwicklung, sonder auch ihr Leben. Jedes Jahr sterben unzählige Mädchen an den Folgen der Verstümmelung. Dies lässt die Gesundheitsberaterinnen auch unter diesen Bedingungen weiterarbeiten.

Die Zunahme des Waffen- und Drogenhandels, sowie die willkürliche Freilassungen von Straftätern aus dem Gefängnis in Fayoum, nahe Beni Suef, die sich in den Dörfern verstecken, bewirken eine beängstigende Sicherheitslage. Die Polizei hat sich in ihre Wachen zurückgezogen. Diese Situation erschwert die Arbeit der Dorfhelferinnen und macht es unmöglich Menschen in den Dörfern zu Schulungen zu versammeln. So musste diese Arbeit zeitweilig eingestellt werden. Die Feierlichkeiten zum Muttertag, die immer eine große gesellschaftliche Bedeutung haben, mussten genauso abgesagt werden wie Exkursionen mit Jungen und Mädchen.

Eine große Herausforderung war im letzten Jahr das politische Interesse zur Wahl. Es gab viele Fragen in den Dörfern zur Verfassung, zur Bedeutung der „Shura-Versammlung“, aber auch Ängste im Bezug auf die neue islamische Bewegung. Es war das erste Mal, dass Frauen ein Wahlrecht hatten.

Die Wirtschaftskrise im ganzen Land hat zur Entlassung von vielen Arbeitern geführt. Besonders betroffen ist die Tourismusbrache. Viele junge Menschen in den Dörfern sind arbeitslos.  Der Diebstahl von Rindern ruiniert ganze Familien. Viele Familien leben am Existenzminimum!

Die Zerstörung von 85 Kirchen und kirchlicher Einrichtungen hatten negative Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen von muslimischen und christlichen Nachbarn. Dies erschwert die Arbeit der Dorfhelferinnen in den Dörfern sehr. Trotzdem setzen die Dorfhelferinnen ihre Arbeit in der Gesundheitserziehung, der Dorfentwicklung fort und ergänzen ihre Bildungsarbeit zu den Themen Bürgerrechte, Verfassung und der wichtigen Beteiligung bei politischen Entscheidungen.

Beni Suef

Dorfentwicklung: In 38 Dörfern wurden Familien u.a. finanziell unterstützt, bekamen Wasseranschlüsse gelegt und Dächer gebaut. 218 Familien nahmen an Einkommenssteigernden Maßnahmen teil und über 1.300 Kinder bekamen die Gelegenheit zur Schule zu gehen. Mit der Armenspeisung in Beni Suef werden bis zu 150 Familien unterstützt. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Fördermaßnahmen.

Ezbet el-Nakhl

Durch das „persönliche Schulgeld“ aus dem Kirchenkreis können 100 Kinder aus dem Bereich des Müllgebietes die Mahabba Schule besuchen und 850 Kinder aus staatlichen Schulen durch Nachhilfeunterricht in der „Night School“ gefördert werden. Im Qualifizierungszentrum bekommen junge Menschen eine Ausbildung in handwerklichen Berufen und in der Behinderteneinrichtung „Seeds of Hope“ werden 85 Kinder gefördert, wobei 35 im Zentrum leben. Darüber hinaus gibt ein umfangreiches Programm für Frauen: Im Salam Center arbeitet eine „Rechtsklinik“ (legal clinic), in der die Rechte von Frauen und Kindern sowie die Rechte der „Ausweislosen“ mit der Hilfe einer Juristin und einer Sozialarbeiterin wirkungsvoll erstritten werden und es wurde ein neues Gebäude für alleinstehende Mütter errichtet.

 

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