Schwesternschaft

Mönchstum

Das klösterliche Leben hat in Ägypten seinen Ursprung und eine lange Tradition. Obwohl das klösterliche Leben als ein kontemplatives entstanden ist, gab es schnell Verbindungen zur aktiven Arbeit der Kirche. Die Mönche waren für die Armen und Mittellosen zuständig. Sie gaben den Menschen in Hungersnot und Dürre zu essen und zu trinken. Sie bauten Kirchen und aus ihren Reihen wurden und werden die Bischöfe gewählt.

Der Konvent „The Daughters of St. Mary“

In Beni Suef, 120 km südlich von Kairo, ist das Mutterhaus des Ordens der „Daughters of St. Mary“ einer Kommunität von ca. 160 koptisch orthodoxen Schwestern. 1965 wurden die ersten zwei Schwestern geweiht. Damals gab es für Frauen nur die Möglichkeit eines kontemplativen Lebens im Kloster.

Unter der Leitung von Erzbischof Athanasius von Beni Suef – der die Koptische Kirche über 30 Jahre in ökumenischen Konferenzen vertrat -und der Unterstützung von Papst Kyrillos VI wurde der Orden in Beni Suef gegründet. Es ist der einzige diakonische Nonnenorden in der koptischen Kirche.

1974 bezogen die Schwestern ihr Mutterhaus in Beni Suef. 1980 wurde ein weiterer Konvent, das „Salam Center“ in Ezbet El Nakhl einem Stadtteil von Kairo, gegründet. Dort arbeiten die Schwestern mit den „Zabaleen“, wie die Menschen im Müll genannt werden. Später ist dann auch noch ein Konvent in Mokkatam dem größten Müllgebiet Ägyptens entstanden.

Ordensleitung

In jedem Konvent ist eine Priorin für die gesamte Arbeit, in Absprache mit dem Abt, zuständig. Jede größere diakonische Einrichtung hat eine leitende Schwester, die eng in Absprache mit der jeweiligen Priorin ihre Arbeit verantwortet.
Seit dem Tode von Bischof Athanasius im Jahr 2000 ist der jeweilige Bischof, in dem sich der Konvent befindet, auch der Abt des Konvents. So ist nun Bischof Ghabrial der Abt für Beni Suef und in Cairo Papst Tawadros selbst Abt der Schwesternschaft. Der Abt ist u.a. für die Einsegnung von Novizinnen und Schwestern zuständig.

Ein Nonnenorden der besonderen Art

„Daughters of Saint Mary“

Gemeinsam füreinander verantwortlich sein – das ist eine Grundregel! Wenn Schwester Joanna spricht, hören die Menschen zu. Sie spricht leise, klar, liebevoll mit Witz und Humor. Wenn man mit ihr in ein Dorf kommt, strömen Menschen zusammen. Kinder suchen ihre Nähe. Ein Lächeln ist auf so manchem Gesicht zu sehen. Stolz erzählen Frauen und Männer von den Veränderungen in ihrem Dorf. Und es sind nicht nur Dörfer mit Christen in denen sie arbeitet, nein, auch in zwei rein muslimischen Dörfern ist sie tätig. Sie bewirkt, dass die Menschen aufeinander Acht geben.

Geschichte – Eine Frauenbewegung

Was ist das für eine Schwester? Sr. Joanna gehört zum Orden der „Daughters of Saint Mary“ (DSM), einem aktiven Nonnenorden, der 1965 von Bischof Athanasius, Metropolit der Diözese Beni Suef gegründet worden war. Beni Suef liegt ca. 120 km südlich von Kairo.

Heiraten oder Kloster? Lange Zeit gab es nur diese Optionen für Frauen in der Koptischen Kirche. Viele Frauen suchten schon in den 60er Jahren eine Alternative zu einem rein kontemplativen Ordensleben. 80 Prozent der katholischen Nonnen in Ägypten waren ursprünglich koptisch-orthodox, konvertierten jedoch, weil sie auch diakonisch tätig sein wollten. Papst Kyrillos VI ermöglichte schließlich, das Wiederbeleben der altkirchlichen Praxis eines diakonischen Ordenslebens in der Koptisch-Orthodoxen Kirche für Frauen.

1962 sammelten sich einzelne Frauen um Bischof Athanasius. Schwester Agapie, eine der drei Begründerinnen der Gemeinschaft, entschied sich bereits 1965 für das kommunitäre Leben. 1966 trat die Konventsverfassung in Kraft. 1981 gab es bereits 28 Schwestern und sechs Novizinnen. Zu ihrer diakonischen Arbeit gehören Pflegestationen für alte Menschen, Waisenhäuser, Kindergärten, Schulen und Studentenheimen. Die Schwestern kümmern sich um die pädagogische Betreuung von Jugendlichen und um unverheiratete Mütter. In der Dorfentwicklung bieten sie Alphabetisierungsprogramme an und geben Anleitungen zur Gesundheitspflege und Haushaltsführung. Sie laden zu Meditationstagungen in einem eigenen Tagungszentrum (Bayad) ein.

Bayad_Sr. Agapie

Schwester Agapie Asaad diente der Schwesternschaft seit 1989 als Priorin. Die diplomierte Englischlehrerin arbeitete zunächst an höheren Schulen in Ägypten (1960-1969). Von 1973 bis 1979 baute sie eine primary school im äthiopischen Nonnenkloster Sabata (Shoa-Provinz) auf – finanziell unterstützt durch die deutsche Kindernothilfe – und leitete und verwaltete die angeschlossenen Waisenhäuser. Von 1981 bis 1984 war sie Tutorin am College für „church missionary society training”. Zudem trat sie als Frauendelegierte des koptischen orthodoxen Patriarchats auf Konferenzen des ÖRK in Erscheinung und ermöglichte so Kontakte zur weltweiten Ökumene. Sie war die „rechte Hand“ von Bischof Athanasius und ein Garant dafür, dass nach dessen Tod die Arbeit in seinem Sinne weitergeführt wurde. Durch ihren praktischen Einsatz und auch durch die Leitung der DSM gemeinsam mit Metropolit Athanasius, förderte Schwester Agapie das selbstbewusstere Auftreten von Frauen in den kirchlichen Arbeitsbereichen einer arabisch geprägten Gesellschaft.

Die Koptische -Orthodoxe Kirche hatte jedoch die Ordnung der „Daughters of Saint Mary“ nie offiziell anerkannt, mit der Begründung, sie kenne keine Tradition eines aktiven Mönchstums. Kritiker wiesen darauf hin, dass das Mönchstum an die Wüste und die Abgeschiedenheit gebunden sei und empfanden die Ordination von arbeitenden Nonnen in Beni Suef als Fehler.

Die Heilige Synode, unter der Führung von Papst Schenuda III, lehnte diesen Weg kontinuierlich ab und stellte die Schwestern des Ordens 2001, nach dem Tod von Bischof Athanasius, vor die Wahl, entweder als Nonne ins Kloster zu gehen oder als geweihte Diakonisse in der Ordnung der Kirche zu arbeiten.

1992 hatte die Heilige Synode unter Führung von Papst Schenuda III eine Ordnung für geweihte Diakonissen erlassen. Nach Aussage von Bischof Moussa, sind Diakonissen und Diakone die Augen und Hände der Priester. 24 Stunden im Dienst, sieben Tage in der Woche. Während geweihte Diakonissen dem jeweiligen Bischof unterstellt und an die Gemeindearbeit gebunden sind, sind die „Daughters of Saint Mary“ nur ihrem Konvent gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Bischof Athanasius hatte dies gemeinsam mit den Schwestern in der Konventsverfassung verankert, um die Gefahr eines „geistlichen Despotentums“ abzuwehren. Dementsprechend prägten und prägen geistliche Vorbilder wie die bereits verstorbenen Schwestern und Priorinnen Hannah (1991) und Agapie (2011) das geistliche Leben der aktiven Schwesternschaft.

Während die geweihten Diakonissen an die Gemeindearbeit gebunden sind, sind die arbeitenden Nonnen dem Dienst an den notleidenden und am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen verpflichtet, ohne Rücksicht auf Geschlecht und Religion. „Wir müssen den sozialen Bedürfnissen begegnen. Das Engagement für die Armen ist unsere Priorität“, sagte Bischof Athanasius. „Wir engagieren uns für die Notleidenden, die am Rande der Gesellschaft Lebenden.“ Die Schwestern entwickeln Eigenintiative und übernehmen Leitungsfunktionen. Sie arbeiten mit Christen und Muslime, Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche – für ihre große Nähe zu den Menschen werden sie geachtet und geliebt. Der unverwechselbare Unterschied zwischen den geweihten Diakonissen und den arbeitenden Nonnen von Beni Suef ist die Natur ihrer Arbeit.

Am 25. Juli 2013 sprach Bischof Ghabrial, Nachfolger von Bischof Athanasius, den Schwestern seinen Glückwunsch aus. Papst Tawadros II, Nachfolger von Papst Schenuda III, hat den Konvent der DSM offiziell als Kloster anerkannt. Was das nun für die Arbeit der aktiven Nonnen bedeutet ist noch ungewiss, zumal die Heilige Synode noch ihre Anerkennung aussprechen müsste, um diese ungewöhnliche aktive und selbstbewusste Frauengemeinschaft der DSM als eine legitime Einrichtung der Koptisch-Orthodoxen Kirche gelten zu lassen. Was jedoch diese Gemeinschaft mehr trägt als es eine institutionelle Anerkennung je könnte, ist die tätige Liebe, mit der die Schwestern einander in Verantwortung annehmen und stärken.

Dorfentwicklung – Hilfe für Arme
und die am Rande der Gesellschaft Lebenden

Bayad_Sr. Joanna im DorfSr. Joanna ist mit 29 Jahren in den Orden der DSM eingetreten, nach dem sie seit 1985 als Ärztin in den ländlichen Kommunen um Maghagha gearbeitet hatte. Damals war eine alleinstehende berufstätige Frau gesellschaftlich nicht akzeptiert. Nachdem sie einen Verehrer nach dem anderen abgelehnt hatte, wurde ihre Bestimmung klarer. „Es war ein Gefühl von Frieden und Zufriedenheit je mehr Zeit verging.“ beschreibt Sr. Joanna. Sie hatte vom Orden der DSM gehört und entschied sich zuerst für eine Stelle als Ärztin im Krankenhaus des Konvents von Beni Suef. Mit der Aufnahme 1988 als Postulantin änderte sich ihr Leben: die Ärztin war nun in Vollzeit für die Küche des Konvents verantwortlich. „Es war sehr hart für mich, aber notwendig, um den anderen Schwestern zu zeigen, dass ich obwohl ich eine promovierte Ärztin war, eine ihresgleichen bin und mich denselben Regeln zu unterwerfen habe.“ erklärt Sr. Joanna.

Sie war aber bald wieder in ihrem Beruf tätig, denn die Schwestern unterhielten eine mobile Krankenstation, die in entlegenen Dörfern für jedermann ihre Dienste anbot. Hier erledigte Sr. Joanna alle ärztlichen Aufgaben, von der Beschneidung der Jungen bis zur Gesundheitsvorsorge.

1993 erhielt sie ein Stipendium für ein Studium an der Liverpool University im Bereich Gesundheitswesen und medizinische Grundversorgung. Nach ihrer Rückkehr konzipierte sie ein Ausbildungsprogramm der Gesundheitsfürsorge für Dorfhelferinnen. Auch andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und sogar das Ministerium für Soziales und Gesundheit unterrichten nach ihrem Konzept!

Das „Coptic Center für Training und Development“ (CCTD) arbeitet als eingetragene NGO unter der Leitung von Sr. Joanna. In 38 Dörfern der Diözese Beni Suef und Beba sind die Mitarbeiterinnen mit einem ganzheitlichen Ansatz unterwegs. Ein Schwerpunkt ist die medizinische, soziale und familiäre Hilfe vor Ort. Das Team um Schwester Joanna bespricht und erarbeitet mit den Dorfbewohnern Themen wie Familienplanung, Säuglingspflege und Hygienemaßnahmen gegen Infektionsrisiken. Darüber hinaus werden Projekte zur Verbesserung der Versorgung mit Trinkwasser und Strom initiiert und Impfprogramme durchgeführt. Doch das wichtigste Thema des CCTD ist die flächendeckende Aufklärungsarbeit über die nach wie vor in Ägypten praktizierte Genitalbeschneidung von Mädchen. Schwester Joanna ist seit vielen Jahren federführend in NGO’s und an lokalen und nationalen Kampagnen gegen diese kulturbedingte Tradition beteiligt. Sie und ihr Team leisten unermüdlich Aufklärungsarbeit in den Dörfern, um langsam aber kontinuierlich ein Umdenken zu erreichen.

So müssen hoffentlich sehr bald die Mädchen unserer Zeit zukünftig nicht mehr unter diesem lebensbedrohlichen Ritual aus grauer Vorzeit leiden.

Bayad_P1070253