Pastoralkolleg 2019 in Ägypten – Erste Eindrücke

Nach der Landung über dem riesigen Kairo fahren wir nachts durch die endlose Wüste nach Süden. Beni Suef heißt die nächste Millionenstadt, hier sind wir im Gästehaus der Daughters of St. Mary direkt am Nil untergebracht. Die langjährige Partnerschaft des Kirchenkreises Moers sorgt für viele Kontakte. Sr. Amalia und Sr. Joanna begleiten uns an diesen ersten Tagen – neben ihrer normalen Arbeit. Sie gehören zum einzigen Frauenorden der koptischen Kirche mit der Erlaubnis zu sozialer Arbeit und nutzen das auf eindrucksvolle Weise. Davon können wir, 15 Pfarrerinnen und Pfarrer aus vier Landeskirchen, uns bei vielen Begegnungen überzeugen.

BENI SUEF
Sr. Amalia leitet eine KiTa für 400 Kinder. Außerdem gibt’s in ihrem Haus einmal monatlich eine Armenspeisung. Die bedürftigen Familien bekommen von ihren Pfarrern eine Art Gutschein und dürfen dann sich sattessen und Lebensmittel für ein paar Tage mitnehmen. Dazwischen werden Lob- und Danklieder gesungen, eine intensive Atmosphäre, in die auch wir deutschen Gäste mit hineingenommen werden. Ein Kulturprogramm mit einer Art christlichem Karaoke, abgerundet mit Gebet und Segen.

Zwischen den einzelnen Begegnungen die Bilder der Großstadt am Nil: Eselskarren neben Bussen und Motorrädern mit Lastenaufbau, Kühe am Straßenrand angebunden, bewässerte Felder, und wir fahren da durch von Polizei eskortiert. Auch jede Schule, jedes Kloster hat eine Polizeikontrolle mit Metalldetektor. Das Fließen des Verkehrs ohne Ampeln überrascht jedes Mal aufs Neue.

Das Dorfgemeinschaftsprojekt der koptischen Kirche leiten Sr. Joanna (sie ist gelernte Ärztin) und Sr. Priscilla.   Sie sind verantwortlich für ein Team von Mitarbeiterinnen, die in ca. 30 Dörfern rund um Beni Suef eingesetzt sind: Schulungen in Handarbeit und Hauswirtschaft verhelfen den Frauen zu mehr Selbstständigkeit. Trainingsprogramme für Gesundheit und Ernährung genießen auch in muslimischen Dörfern hohe Anerkennung. Besonders wichtig ist den Schwestern die Aufklärung über die weibliche Genitalverstümmelung. Die ist in der ägyptischen Gesellschaft, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, weit verbreitet. Erst die Gespräche von Frau zu Frau lassen viele Betroffene nachdenken, ihren Töchtern eine andere Zukunft zu ermöglichen. Nicht Belehren, sondern Aufklären ohne erhobenen Zeigefinger ist angesagt. „Wir reden nicht von Jesus, sondern was wir tun lässt die Leute merken, dass wir sie lieben.“

Auch die El Tawfik-Schule mit ca.1300 Schülerinnen und Schülern knapp 200 Lehrerinnen und Lehrern wird von einer Nonne geleitet: Sr. Virginia hat mit ihrem Team ein Willkommensprogramm mit Tänzen und Präsentationen für die deutschen Gäste vorbereitet.  Beim Besuch der Klassen beeindruckt neueste Technik, z.B. Deutschunterreicht mit Touchboard, aber auch das sehr disziplinierte Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Nicht zufällig steht „Queuing“ schon im Kindergarten auf dem Programm, also Aufstellen in Reih und Glied. Wir erhalten alle einen selbstgebastelten Orden mit ägyptischem Wappen. Die Liebe zu Ägypten eint hier alle, über sonst trennende Grenzen hinweg. Selbst die Baumstämme sind rot-weiß-schwarz-gestrichen.Abends Besuch in der koptischen Kirche beim Jugendgottesdienst der Diözese. Hunderte Jugendliche schmettern liturgische Gesänge wie Schlager. Nach dem Anspiel über die Situation junger Studenten wird Pastor Dietmar Boos um ein geistliches Wort gebeten und unsere Gruppe stellt sich mit einem Lied vor. Mit persönlichem Bibelwort werden wir verabschiedet.

Am nächsten Morgen geht es schon um 4.30 Uhr wieder los zu den Wüstenklöstern. Wir erklimmen in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne die 1231 Stufen zur Höhle des Heiligen Antonius. Anschließend führt Abbuna Ruiz Anthony (jeder Mönch im Kloster trägt zusätzlich den Namen des Antonius) uns in die Geheimnisse des Wüstenklosters ein. Alle Mönche haben einen weltlichen Beruf: „No work, no food“. Er empfiehlt uns: „Du musst jeden Tag zehn Minuten für dich allein sein, sonst bist du kein Mensch.“ Anschließend führt er uns durch die Mühle und zeigt uns das Refektorium. Als Höhepunkt steigen wir hinab zur Kirche mit dem Grab des Heiligen Antonius.

40 Kilometer weiter Richtung Rotes Meer liegt das St. Paul-Kloster. Der Heilige Paulus lebte im 3. Jahrhundert nach Christus 90 Jahre lang als Eremit in einer Höhle. Abbuna Michael erzählt, dass zwei Löwen das Grab des Paulus geschaufelt haben.  Es wird gesagt, dass durch das Wirken von St. Antonius und St. Paulus das Mönchtum entstanden ist. Wir haben also die ältesten Klöster der Welt besichtigt.

Koptische Christen haben ein Kreuz am rechten Handgelenk tätowiert. Dieser Ritus stammt aus Zeiten, in denen die Kinder den Eltern zum Militärdienst weggenommen wurden. Sie sollten dadurch immer daran erinnert werden: „Wir sind Christen!“ Der Anteil der Christen an der ägyptischen Bevölkerung liegt bei mehr als zehn Prozent. Die Zahl wird zwischen zehn und 14 Millionen angegeben.  Unser Eindruck ist, dass nach einer sehr angespannten Phase sich das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen wieder etwas entspannt hat. Dennoch gebe es nach wie vor eine Diskriminierung, berichten unsere koptischen Geschwister: „Die Verfolgung ist im Alltag nicht an brennenden Kirchen abzulesen, sondern an Schildern vor dem Schnellimbiss: ‚Keine Christen (als Beschäftigte)!'“

A-K & H

Schreibe einen Kommentar